von Peggy Kammer
„Die Zukunft existiert nicht mehr, weil die Jetztzeit uns in Formen vermittelt wird, die so fest sind und so auf Wiederholung basieren, dass das Zukunftsartige an der Zukunft, ihre Unvorhersehbarkeit, verschwunden ist,
ähnlich einem Fluss, der in eine Röhre verlegt wird.“
Karl Ove Knausgard
Wie kann etwas Neues entstehen?
Wie entsteht ein Raum für Unvorhergesehenes, für Unvermutetes?
Und wo ist das Neue - bevor es die Bühne betritt?
* * * * *
Gibt es einen Raum, in dem sich alle möglichen und künftigen Ideen in einer Wohngemeinschaft zusammengefunden haben, gemeinsam die Tage verbringen und darauf warten, dass es klingelt, und ein paar von ihnen abgeholt werden, damit sie das Licht der Welt erblicken können?
Streiten sich die Ideen, wer die bessere ist?
Sitzen manche von ihnen da und fragen sich, wann ihre Zeit gekommen ist, oder ob sie der Zeit einfach zu weit voraus sind?
Werden manche von ihnen ungeduldig und trommeln die ganze Zeit mit ihren Fingern auf die Tischplatte - und die anderen Ideen sind schon genervt?
Altern Ideen? Bekommen sie einen langen Bart?
Und sterben sie dann, noch bevor sie die WG verlassen können?
In welchem Raum möchten die Ideen gern willkommen geheißen werden?
Wie stellen sie sich vor - und was passiert mit ihnen, wenn ihnen ganz viele "Aber" entgegenschlagen?
Welche Beziehungsaufnahme brauchen sie, um sich entfalten zu können?
* * * * *
Ein leeres Blatt Papier, ein leerer Raum.
Es ist Zeit für etwas Neues.
Bis hierher war es schon ein Kraftakt.
Alles anschauen, Abschied nehmen und entsorgen.
Es ist nicht leicht.
So viel Vertrautes, das einen lange Zeit begleitet hat.
Wie ein warmer Mantel im Winter.
Ein Schutz, eine Sicherheit.
Eine Gewissheit.
Und nun sitzt man in diesem Raum: leer, weiß gestrichene Wände.
Ein weißes Blatt Papier wartet auf eine neue Geschichte.
Der Stift ist gespitzt, die eigene Wahrnehmung auch.
Was will sich zeigen?
Beim Warten auf den Anfang, auf den entscheidenden Impuls, auf die erste Anmutung einer Bewegung, tauchen alle gestrigen Geister wieder auf und machen Werbung für ihre Daseinsberechtigung.
So viel Krawall schon wieder.
Wie soll da das Neue keine Angst bekommen und sich in einer Ecke verkriechen?
In den Raum, der Zukunft verheißen soll, schlängeln sich beständig die Fäden des Gegenwärtigen, und der Nebel des Vergangenen verunsichtbart alle Möglichkeiten, alle Potenziale, die zart und fast unscheinbar auf ihre Entdeckung hoffen.
Wenn wir die Hoffnung suchen und ihr folgen, lichtet sich dann vielleicht der Nebel?
* * * * *
Das Leben gibt uns immer wieder Gelegenheiten, neu anzufangen, uns zu wandeln - und mit uns selbst auch unser Umfeld.
Jedes Mal, wenn man umzieht, hat man die Chance auf einen Neuanfang.
Eine leere Wohnung, ein leeres Haus. Die Wände sind jungfräulich weiß.
Was macht man aber meistens?
Den ganzen Kram mitnehmen und mit größter Virtuosität das alte Zeug in das Neue hineinpressen – aus unterschiedlichen guten und schlechten Gründen.
Das Ding ist, es gibt halt immer eine Geschichte.
Erinnerungen, Überzeugungen, Erfahrungen ... alles nehmen wir mit.
Für etwas Neues braucht es immer wieder einen bewussten Akt des Verabschiedens oder der Neubewertung - und dann eine gute Portion Mut, um neugierig und hoffnungsvoll in die Leere einzutreten.
Neue Dinge brauchen einen Raum, der Raum bietet.
Dann können auch die Ideen, die schon so lange warten, abgeholt werden.
Und dann, ganz sachte, können wir mit ihnen in Resonanz gehen und eine Beziehung aufnehmen, die beide Seiten transformiert.
Ahoi und herzliche Grüße
Peggy
Kommentar schreiben