von Jeanne Thon
Nachrichten aus der Fleischverarbeitung in Gütersloh.
Haben wir schon die Schuldigen oder schämen wir uns noch?
Menschen hinter Bauzäunen. Absperrgitter gegen Corona. Wohnblöcke. Männer mit nackten Bäuchen schauen uns an, aus Fenstern heraus. Lebensmittel werden über die Absperrungen gereicht. Medizinisches Personal rückt eilig an, in Schutzanzügen.
Die Scham blickt uns direkt ins Auge ...
Wir – essen das Fleisch, das Tönnies verarbeitet, auf die Art, die plötzlich politisch wird.
Veganer und Vegetarier sind da raus. Die machen schon lange nicht mehr mit. Bioladen-Kunden auch, die leisten sich das Fleisch von glücklichen Tieren, ohne „Schäm dich“-Moment.
Im Gespräch ist die Gesellschaft allerdings nicht übers Schämen und Fleischkonsum, sondern über Schuld und Sühne, also Schadensersatz. Tönnies soll damit „Wieder-gut-Machung“ leisten. So versteht das Bürgerliche Gesetzbuch den Sinn von Schadensersatz.
Aber was wird dann wieder gut? Dass wir uns nicht mehr schämen müssen! Wir haben dann Schuldige ausgemacht, stellen Zäune auf, prangern an. So wandert die Scham zu denen, die hinter den Zäunen sind ...
Aber, es wird sie geben. Die, die sich das nicht gefallen lassen und sich wehren. Weil Scham ein so hässliches Gefühl ist.
Wären wir überrascht, wenn sie mit Wut reagieren und sagen: Ihr esst doch das Fleisch, das wir hier produzieren!? Ihr wollt es doch so billig wie möglich?! Und dann? Werden wir erneut konfrontiert mit unserem Lebenswandel und unserer Scham. Nur, wenn niemand die Scham benennt, reden wir weiter über Schuld und Schaden.
Ich wünsche mir, dass wir endlich über unsere Werte sprechen und darüber, wie wir leben können, ohne uns schämen zu müssen.
Vor allem nicht die Schwächsten der Gesellschaft!
Deren große Wut über die Ungerechtigkeit, dass sie sich schämen sollen, anstatt wir, wird uns sonst ernsthaft das Fürchten lehren.
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