Mitten im Foyer

von Rainer Molzahn

Mitten im Foyer

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Wir starten eines unserer ganz aufregenden Projekte, ein Crashkurs für den demokratischen Souverän: Im November startet unsere Seminarreihe MoMo - ModerationsModell für eine neue Gesprächskultur im öffentlichen Raum.

 

 

Erwirb den Bürger-Führerschein!


Das Foyer ist hier eine Metapher für die öffentliche Sphäre unseres gemeinsamen Hauses. Wir wohnen in unterschiedlichen Fluchten, Etagen und Suiten, teilweise auch nur im Gesindetrakt oder in Besenkammern, aber wir treffen uns im Foyer. Alles, was dort gesprochen wird, oder auch verschwiegen wird, ist öffentlich: alle können es bezeugen.

Worauf wir mit diesem Projekt antworten

In den letzten Jahren beobachten wir unter Tränen, wie die Qualität der Auseinandersetzung in den großen öffentlichen Räumen unserer demokratischen Systeme besorgniserregend abnimmt.

 

‚Lügenpresse‘, ‚Fake News‘, Verleumdungskampagnen, Hasstiraden und andere nur die spontan-eruptive Gefühlswelt bedienende Manipulationen korrumpieren mehr und mehr das Niveau des Diskurses – und damit auch die Intelligenz der Entscheidungen, die auf der Basis dieses Diskurses gefällt werden.

 

Wir finden, dass wir uns diese kollektive Verdummung nicht mehr leisten können, sollten oder dürfen: sie ist unter ästhetischen Gesichtspunkten peinlich, sie bedroht das Überleben unserer demokratisch geprägten Kultur, und sie leistet dem Aufstieg von infantilen, autoritätsgeilen und männlichkeitsbesoffenen Regimen Vorschub (von homo-, islamo-, xeno- und sonstwie phobischen Tendenzen ganz zu schweigen).

 

Die gefährden, so sind wir überzeugt, nicht nur das Überleben unserer eigenen Art (das wäre ja noch zu verschmerzen), sondern sogar das Überleben der Biosphäre unseres Heimatplaneten, so wie wir sie kennen. Kein Scherz. Und weil wir eine kulturelle Welt geschaffen haben, in der wir uns nach vielen schlechten Erfahrungen nicht mehr auf die Weisheit eines absoluten Herrschers verlassen möchten, sind wir alle miteinander aufs jetzt aufs Äußerste gefordert.

 

Wir wollen unseren kleinen, aber wie wir ganz bescheiden finden, unverzichtbaren Beitrag dazu leisten, die Qualität des verbalen Austausches in den öffentlichen Räumen unserer demokratischen Kultur zu erhöhen.

Was uns qualifiziert, dies überhaupt zu versuchen

Wir im Wandelforum sind zwar ein sehr gemischter Haufen, aber viele von uns verorten ihre professionelle Kernkompetenz im Bereich psychosozialer Bemühungen. Manche von uns haben mehr Erfahrung in der Arbeit mit Einzelnen, andere mehr in der Arbeit mit Gruppen, einige auch im Kontext interkultureller Begegnung und Zusammenarbeit. Alle von uns sind seit vielen Jahren in öffentlichen Sphären tätig, und allen von uns liegt unser demokratisches System, unsere der Aufklärung verpflichtete Kultur und vor allem anderen das Leben auf unserem lieben kleinen Heimatplaneten am Herzen: wer wären wir ohne all das, und wo wären wir ohne all das?

 

Aus diesen Gründen sind wir der Auffassung, dass wir, unseren Neigungen glückvoll entgegenkommend, verpflichtet sind, etwas dafür zu tun, dass unsere kollektive Intelligenz durch eine gewachsene Intelligenz unseres öffentlichen Austauschs bedeutsam steigt. Nicht, weil das nur sportlich reizvoll ist, sondern existenziell akut: wir sind dran!

Wir sind gefordert. Dies ist unser Moment.

Woran wir anknüpfen, und zu welchen Hoffnungen uns das beflügelt

Am mythischen Ursprung unserer öffentlichen Räume ist natürlich die Agora der griechischen Antike: das Foyer der Polis als ursprünglicher Verwirklichung bürgerlicher Gemeinschaft, um im Bild zu bleiben.

 

Wofür wir also eintreten, ist eine Renaissance dieser für alle zugänglichen Plattform eines egalitären Meinungsaustauschs, in den Zeiten von Globalisierung, Klimawechsel und Artensterben. Denn wir müssen natürlich, bei aller Liebe und Verehrung unseres kulturellen Schöpfungsmythos, sehr nüchtern in Betracht ziehen, wie unsere heutige Situation sich von der unterscheidet, die im klassischen Griechenland sowohl Polis als auch Agora hervorbrachte: 

  • Die Polis war klein und überschaubar, die Erde ist groß, und die Wahrnehmung ihrer Kugelhaftigkeit ist für die meisten Menschen keine sinnliche Alltagserfahrung. Das ermöglicht übrigens am durchgeknallteren Ende der Skala von möglichen Positionen in unserer globalisierten Agora solche Bewegungen wie die Flat-Earthers.
     
  • In der Polis machten nur die Männer Politik, auf der Agora hatten nur Männer eine Stimme. Immer noch sind in unseren öffentlichen Arenen die Frauen skandalös unterrepräsentiert, und Deutschland liegt auch in diesem Wettbewerbsfeld ziemlich weit hinten. Insgesamt und weltweit ist aber gerade in dieser Hinsicht viel in Bewegung, und noch viel mehr muss in Bewegung geraten.

  • Auch im antiken Griechenland gab es Unterschiede zwischen Arm und Reich, aber die waren nicht entfernt so groß wie in unserer, seit dem Untergang des Sozialismus weltumspannenden  Wirtschaftsordnung, in der aktuell noch 26 Leute den Gegenwert von dem ihr Eigen [sic!] nennen, was die materiell ärmere Hälfte der Menschheit besitzt. Besonders die klassische athenische Demokratie versuchte übrigens, die Unterschiede in den Besitzständen zu nivellieren, wenn es um den Zugang zur Agora ging. Heute ist es eher umgekehrt: in den öffentlichen Foren treffen sich die Repräsentanten der armen Schlucker*innen, und die Reichen treffen sich, außer in Davos, in privaten Räumen und kaufen sich von dort aus, ohne sich irgendeiner offenen Debatte stellen zu müssen, den Rest der Welt.

  • Auch die Stadtstaaten des klassischen Griechenland wirtschafteten auf eine Art und Weise, die zur Entwaldung, zur Verödung, Verarmung und Erosion  der natürlichen Umgebung führten, auf die sie gebaut waren. Im Unterschied zu unserem globalen Wirtschaften mit regionalen Konsequenzen – die allerdings auch bis heute fortwirken. Wenn man, wofür einiges spricht, die Art des Wirtschaftens gleichsetzt mit der Beziehungsgestaltung zur Erde, muss man nüchtern feststellen, dass wir gerade vernichten, was uns nährt. Nicht nur regional, sondern global. Die alten Griechen entschieden sich übrigens für die Abholzung gewaltiger Waldbestände, um die Schiffe bauen zu können, die sie brauchten, um das Abendland und seine demokratische Ordnung gegen die persische Übermacht und den orientalischen Absolutismus zu verteidigen. Mit welchem Verteidigungskrieg gegen wen rechtfertigen wir eigentlich die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen? Die Aliens, die auch nur nach Hause telefonieren wollen?

Das Projekt

Was wir im Wandelforum also wollen, was uns beflügelt, ist, in eine Renaissance dessen, worauf unsere Gemeinwesen mythisch gegründet sind: eine Kultur des öffentlichen Diskurses, die in der Lage ist, kreative Antworten auf die beispiellosen Herausforderungen zu generieren, die sich aus den globalen Beziehungsdynamiken zwischen Mensch und Erde, Männer und Frauen, Arm und Reich, Eigen und Fremd, Individuum und Gemeinschaft ergeben.

 

Eins ist sicher: In Verbeugung vor unseren Vorfahren müssen wir auf der Agora, im Foyer physisch zusammenkommen. Virtuell reicht nicht. Der virtuelle Raum, selbst, wenn er buchstäblich global  daherkommt, ist in seinem Wesen nicht öffentlich. Man muss sich dort nicht zu erkennen geben, wie viele Millionen Fake Accounts auf Facebook etc. belegen.

 

Das ist also die Idee: eine fünfteilige Workshop-Reihe zum experimentellen Erproben einer Gesprächskultur für den Global Citizen – denn das sind wir, ob wir es nun lieben oder nicht: Weltbürger. 

 

 

Für eine neue Agora! Schluss mit der Agoraphobie! Kommt raus und werdet öffentlich! Wir unterstützen euch darin. 

Wie können wir Sprech- und Denkräume so gestalten,

dass wir am Ende gemeinsam kluge und tragfähige Entscheidungen treffen können?

 

Dafür brauchen wir Moderatorinnen, die Kontaktstifter und Brückenbauerinnen sind. Wir brauchen Gesprächskultivierer.

 

Unsere MoMo-Seminarreihe mit 5 Modulen startet im November 2019: 

Du lernst und übst dich darin, die Qualität der Gesprächskultur im öffentlichen Raum positiv zu beeinflussen – sowohl als Teil einer Gruppe als auch als Leiter*in einer Gesprächsrunde.

 

>>> Jetzt mehr erfahren <<<

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Bülment Köczan (Donnerstag, 09 Mai 2019 20:35)

    Coole Nummer! Bin dabei! Türkiye braucht krasses Zeug wie dies!

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