von Peggy Kammer
Ich hätte es wissen können, wissen müssen.
Die Anmutung von Hoffnung und Tatkraft zu Beginn des neuen Jahres ist fragil. Ist sie immer. Ich vergesse es nur jedes Mal aufs Neue.
Das führt dazu, dass ich meist schon Mitte Januar ein wenig irritiert bis mittelmäßig verstört auf die allgemeine Weltlage und das Leben blicke.
Aber es gibt immer einen kleinen Unterschied:
In jedem neuen Jahr fühlt es sich noch abstruser und falscher an, was ich sehe und höre und fühle.
Wie beim Murmeltier, das immer wieder "Hallo" sagt - und bei jedem Wiedersehen ein bisschen hässlicher aussieht.
(Ich mag Murmeltiere🧡! - ist nur ne Metapher)
Eigentlich müssen wir alle zusammen an einer neuen Welt bauen und all unsere Energie da hineinstecken.
Eigentlich wissen wir alle, was auf dem Spiel steht und was wir ändern dürfen.
Eigentlich hindert uns niemand daran.
Punkt.
Statt uns aber volle Kanne auf neues Terrain zu begeben, sind wir immer wieder gezwungen, das Vorvorgestern abzuwehren.
Und es nervt mich kolossal, Zeit und Energie zu investieren, um lebensfeindlichen Gesinnungen und Haltungen eine Grenze aufzeigen zu müssen.
Aber: Es nützt ja nix.
Also, Schilder basteln, warm anziehen und zu den Demos gehen.
Bislang waren bei den meisten Demonstrationen gegen Rechts mehr Menschen als angekündigt. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das so bleibt.
Wenn du die Recherchen vom CORRECTIV nochmal genauer lesen willst, gibt es hier alle Hintergründe. Und falls du die szenische Lesung des Berliner Ensembles am Mittwoch verpasst hast - es war "grgr" (=gruselig und großartig) - geht es hier zum Video (Start bei Minute 19).
Und als ob jemand (vielleicht das liebe Murmeltier?) meine latente Verzagtheit bemerkt hat, stolperte ich im richtigen Moment über das Interview mit dem Künstler John Akomfrah zu seiner Ausstellung "A Space of Empathy":
"Ich glaube an die demokratische Tatsache von Gemeinschaft, an das Miteinander unterschiedlicher Elemente. Was ethisch im Film funktioniert, geht auch im Leben. Wenn man Dinge, die nicht zusammengehören, vorläufig zu einer Einheit verbinden kann, dann gibt es Hoffnung für das Leben."
* * * * *
Mixed Emotions.
Verzagtheit und Hoffnung, Angst und Mut, Chaos und Fokus, Wut und Liebe, Rückzug und Au s/f-bruch.
Manchmal finde ich es nicht leicht, die Parallelität der unterschiedlichen Gefühle und Ereignisse auszuhalten. Dann schaue ich auf die gegensätzlichen Kräfte, mein Gehirn kollabiert und ich durchlebe eine überwältigende Ohnmacht.
An meinen besseren Tagen ziehe ich genau aus diesem Spannungsfeld Energie und Tatkraft.
Meist helfen mir die gleichen drei Dinge, um mich aus meiner Schockstarre zu lösen:
Bewegung
(zum Beispiel zur Demo gehen - don't forget!),
Verbindung
(mit meinem Beitrag, mit wundervollen und ermutigenden Menschen, mit den vielen tollen Ideen und Initiativen auf der Welt)
Ausdruck
(Schreiben, Malen, Gestalten, Tanzen usw.)
Was immer dir hilft, der Paralyse zu entkommen: mach es ❤!
* * * * *
So. Eigentlich wollte ich diese erste Wandelpost des Jahres nutzen, um dir freudig vom 10. Geburtstag 🎉 des Wandelforums im Dezember 24 zu erzählen. Und ich wollte dich neugierig und dir Lust machen auf die neuen Erfahrungsräume und Transitzonen.
Nun gut, dann mache ich das beim nächsten Mal.
Ahoi und herzliche Grüße
Peggy
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