von Rainer Molzahn
Fatoumata Diawara fasziniert mich schon seit einigen Jahren, denn sie ist nicht nur eine interessante Frau mit einem multikulturellen Hintergrund, sondern vor allem eine infektiöse Präsenz und eine großartige Musikerin an der Gitarre:
Guitar Heroine!
Fatoumata Diawara wurde geboren 1982 in der Elfenbeinküste als Tochter malischer Eltern. Als Teenager zurückgeschickt nach Mali, um bei einer Tante aufzuwachsen. Mit 18 nach Frankreich ausgewandert, um dort Schauspielerin zu werden. Nach einem Dreh in Mali wieder nach Europa geflohen, um der Zwangsverheiratung mit einem ihr fremden Mann zu entgehen. Von sich selbst sagte sie, sie sei „die erste E-Gitarristin überhaupt in Mali“ – vor allem eine, die ihr eigenes Material schreibt. Man ahnt den 5-Grenzen-Langzeit-Prozess im Hintergrund, der ein solches Ergebnis erforderte und ermöglichte. Hut ab, Fatoumata!
Mali. An zwei großen Flüssen gelegen, ein staatliches Produkt des trans-saharischen Handels, von beginn an geprägt von der Begegnung sehr unterschiedlicher Kulturen. Die größten natürliche Ressource sind Gold und Salz – beide äußerst begehrt.
In der Zeit der größten Entfaltung um 1300 verbanden sich auf dem Staatsterritorium der Ozean, die Wüste und der Dschungel. Was für eine Vielfalt. Die schließlich nochmals transformiert wurde:
Im 19. Jahrhundert, als Ergebnis des Wettrennens der europäischen Großmächte um die noch verfügbaren Ressourcen der Erde, geriet das Land unter französische Kolonialherrschaft.
Mali wurde nominell 1960 unabhängig, 1968 dann die endgültige Freiheit nach dem unblutigen Militärputsch von Moussa Traoré. Aber Französisch ist bis heute die höchstrangige Amtssprache. Das nationale Motto:
Un peuple, un but, une foi. Ein Volk, ein Ziel, ein Glauben.
Wieviel kulturelle Diversität da im Hintergrund ist, dass das betont werden muss!
Bis heute ist die ‚Sicherheitslage‘ in Mali äußerst prekär, die Kräfte, die dort aufeinanderstoßen, sind in fast unversöhnliche Täter/Opfer-Dynamiken verstrickt. Das französische Engagement wird gerade beendet, das deutsche war zaghaft, ist zaghaft und wird womöglich noch zaghafter werden.
Das Konzert
Abby O’Neill (NPR), Gastgeber der großartigen ‚Tiny Desk‘-Konzertreihe, sagt über den Auftritt der Ausnahmekünstlerin dort:
„Fatoumata Diawara ist ein wahres Multitalent - eine hochgeschätzte malische Sängerin, Songwriterin und Schauspielerin, die ihr Heimatland mit 19 Jahren verließ, um ihre Kunst in Frankreich auszuüben. In Como/Italien, liefert sie zusammen mit ihren Bandkollegen, von denen viele seit 2018 mit ihr auf Tournee sind, eine fesselnde Vorstellung für Tiny Desk ab. Die Gitarristen und Keyboarder hier - Yacouba Kone und Arecio Smith - haben beide zu ihrem Grammy-nominierten Album 'Fenfo' beigetragen. [Die ganze Band ist herzerfrischend multikulturell zusammengesetzt; eigentlich transkulturell – RM]
Satte, texturierte Gitarren ergänzen ihren einheimischen Bambara-Gesang und verleihen ihrem traditionellen malischen Sound einen modernen Touch. Diese Interpretationen unterscheiden sich klanglich von ihren Albumversionen.
Bei "Kanou Dan Yen" ist Fatoumatas so fesselnde wie beruhigende Ausstrahlung ebenso ansteckend wie ihr elektrisierendes Lächeln.
"Nintera" ist eine rührende Ode an ihren Geliebten, in der es darum geht, wie Entfernung enormen Herzschmerz verursacht.
Fatoumata beendet ihr Programm mit "Negue Negue", einem Uptempo-Afrobeat-Jam mit unbändigem Rhythmus und Temperament.“
Wie schon mein anthropologischer Mentor A. Lipkovitz sich nicht enthalten mochte zu betonen:
Wenn es Hoffnung gibt für die von alten kaukasischen Männern zur Geisel genommene Menschheit, dann kommt sie von den Frauen Afrikas.
Bevor ich es vergesse: es gibt noch andere sehr sehenswerte Auftritte von Fatou, unter anderem in Würzburg und in Timbuktu …
Aloha, Rainer
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regina von boyen (Sonntag, 27 Februar 2022 14:11)
hallo lieber rainer!
tiny desk konzerte sind für mich immer pur, authentisch, kreativ!
fatumatha , eine von vielen afrikanischen frauen, die dem ausgebeuteten afrika eine stimme geben....afrikanerinnen, die noch einmal ihre ganze urkraft aufbringen, selber geknechtet und mißbraucht, ihre kultur zu " retten" ......ich habe einen riesenrespekt vor diesen frauen....wünsche ihnen, daß ihnen die kraft nicht ausgeht in dieser ohnmächtigen position....fast ohnmächtig.....solange sie singen und tanzen, schämte ich mich, wenn ich aufgeben würde, morgens aufzustehn.......
❤
Rainer Molzahn (Sonntag, 27 Februar 2022 22:35)
Liebe Regina, danke für deine tiefe Resonanz! Auch im Namen von Fatou und all der anderen Heldinnen unserer Dritten und Besseren Welt! Let's go!
Rainer Molzahn (Donnerstag, 16 Juni 2022 19:21)
'Heiden-Respekt' finde ich übrigens eine ganz wunderbare Benennung. In einer Liga mit 'Heiden-Spaß', 'Heiden-Angst' und 'Heiden-Lärm'. Das pralle Leben eben.