von Julian Gebhard
In den letzten Monaten habe ich mit unterschiedlichen Leuten ein ähnliches Gespräch geführt. Es ging um die Klimakatastrophe. Wir kamen auf die ein oder andere Art auf die drastischen Maßnahmen zu sprechen, die nötig sind.
Um die geht es hier nicht, sondern die Reaktion meiner Gesprächspartner. Die Aussage, um die es mir hier geht, lautet etwa so: „Allein schon das CO2, welches jetzt schon in der Luft ist, reicht aus, um den Klimawandel über einen Kipppunkt zu bringen. Richtige Ideen alles, aber eigentlich müßig. Wir hätten vor Jahren handeln sollen, haben wir nicht. Das will nur keiner wahrhaben. Sich jetzt noch für das Klima einzusetzen ist verlorene Liebesmüh.“
Ich muss dazu sagen, dass diese Leute keineswegs uninformiert oder desinteressiert waren. Im Gegenteil, es befinden sich Physiker und Chemiker unter ihnen, Leute, die viel mehr von den genauen Stellschrauben des Klimas verstehen als ich. An keiner Stelle wurde diese Position gnadenloser auf den Punkt gebracht als in der TV-Serie "The Newsroom", in dieser Szene. Die Szene ist fiktiv, ja, sie und die Serie versuchen aber ein möglichst realitätsnahes Bild der modernen Medienlandschaft zu zeigen. Und um die Einstellung auf den Punkt zu bringen, reicht sie allemal.
In der Episode wird ein Klimaforscher von einem Nachrichtensprecher und Hauptcharakter der Serie interviewt. Der Moderator versucht immer und immer wieder ein hoffnungsvolles Statement aus dem Forscher zu bekommen, wieder und wieder ist die Antwort zynisch und fatalistisch. Es würden jetzt schon Leute leben, die an den grauenhaften Katastrophen des Klimawandels sterben werden. Und auch mit den besten Maßnahmen und der neusten Wissenschaft hätte man vor 10/20 Jahren agieren müssen, nicht jetzt. Jetzt war 2014. Zum Zeitpunkt dieses Blogs also vor 6 Jahren.
Etwas Ähnliches haben viele von euch sicher schon einmal gehört. Diese Worte sind schwerer zu verarbeiten als die papierdünne Pseudowissenschaft der Klimawandel-Leugner. Ein sinkendes Gefühl in der Magengrube und die Frage: Haben wir verloren? Und ja, das Empfinden von Machtlosigkeit und drohender Katastrophe kann ein entsetzlicher Terror für die Psyche sein. Climate Grief, oder Klimadepression, ist ein echtes und untersuchtes Krankheitsbild, wie die American Psychological Association mittlerweile festgestellt hat.
Die Auswirkungen sind nicht weniger real: Leute meiner Generation trauen sich zum Beispiel teilweise nicht, Kinder in diese Welt zu setzen. In Angesicht dieses Horrors, warum nicht besser nicht drüber nachdenken? Sachen, wie das eingangs erwähnte Zitat zu hören, reißt einen aus dieser angenehmen Ignoranz. Wie als würde man sich wieder bewusst werden, dass man ja Krebs hat.
Das Ziel dieses Blogs ist nicht, die Wissenschaft und Aussagen dieser Leute anzugreifen. Sie mögen stimmen oder sie mögen es nicht. Vieles hatte sicherlich wissenschaftliche Grundlagen. Mir geht es aber um Fatalismus. Wenn ich eine Sache in diesem Blog klar machen kann, ist es diese:
„Fatalistisch zu sein steht dir nur zu, solange du gekämpft und verloren hast. Alles andere zählt nicht.“
Die Klimakatastrophe ist schon da. Es gibt Menschen, die jetzt schon direkt durch die Klimakatastrophe beeinflusst sind. Leute auf Inseln, die jedes Jahr weiter im Meer versinken. Leute, die ihren Lebensunterhalt aufgrund von Dürre nicht mehr erhalten können. Leute, die durch Waldfeuer vertrieben wurden. Diese Menschen erleben den wahren Terror, der uns global droht, und diese traumatischen Erlebnisse nicht ohne weiteres wegzustecken ist nur verständlich.
Aber viele von uns, die meisten, leben ihr Leben ohne große Nachteile weiter, bisher zumindest noch. Kein Schnee an Weihnachten zu haben ist nicht das Gleiche. Ich selbst gehöre auch dazu. Ich lese, höre und sehe viel zum Klimawandel. In den besseren Momenten raffe ich mich auch auf und demonstriere und blockiere. Aber abgesehen von dem vielen Schweiß, den ich dieser Tage in meiner Dachgeschosswohnung schwitze, leide ich noch nicht unter der globalen ökologischen Katastrophe.
Und Gleiches gilt auch für viele Fatalisten. Niemand von ihnen war im Hambacher Forst oder bei Greenpeace. Im Gegenteil: Leute von dort, die ich getroffen habe, sind oft alles andere als fatalistisch und zynisch. Kein Wunder auch. Fatalismus lähmt. Lethargie ist keine Emotion, mit der man sich zu irgendetwas Produktivem aufrafft, etwas verändert. Fatalismus gibt Verantwortung ab. Verantwortung für all die Dinge, die sich sehr wohl noch ändern ließen. Verantwortung, sich mit dem Hier und Jetzt auseinanderzusetzen. Verantwortung, zu hoffen.
Ich habe Verständnis für die Hoffnungslosigkeit der Leute, denen der Klimawandel jetzt schon alles genommen hat. Jeder hat seinen Bruchpunkt und wenn die Insel, auf der du wohnst, untergeht, ist er vielleicht erreicht. Spannenderweise hat sich aber auch gezeigt, dass Menschen in den akuten Brennpunkten des Klimawandels oft nicht trotzdem, sondern erst recht großen Mut und beeindruckende Widerstandsfähigkeit unter Beweis stellen. Man denke etwa an die Lakota in den USA, die sich weiterhin heldenhaft gegen den Bau von Öl-Pipelines zur Wehr setzten. Es ist zugegebenermaßen letztlich ein rein subjektives Urteil, aber ich finde, solange man diesen Streit und die Konsequenzen einer Niederlage nicht erfahren hat, steht es einem auch nicht zu, den Kampf, um einen belebbaren Planeten aufzugeben.
Denn schließlich ist noch ein weiteres Faktum mittlerweile bekannt: Kämpfen bekräftigt. Auch wenn es keinen Erfolg hat. Allein schon zu spüren, dass man kein passiver Beobachter einer globalen Katastrophe ist, sondern ihr auf den eigenen Beinen stehend begegnet, setzt fantastische Kreativität frei. Es ist der Unterschied zwischen Passivität und Aktivität, zwischen Beobachten und Handeln, zwischen Opfer sein und Widerstand leisten.
Abseits aller inhaltlichen Prozesse ist das allein schon ein lohnender Effekt. Und diesen Effekt erstickt Fatalismus, verhindert die Weigerung, sich von der Zuschauerbank aufs Spielfeld zu begeben.
Denn eins ist sicher: Das einzige, was noch alberner ist als verspäteter Klimaschutz, ist, über Narben zu klagen - aus Kämpfen, die man nicht gefochten hat.
In diesem Sinne: Fatalismus ist verboten. Auf geht’s!
Kommentar schreiben