von Rainer Molzahn
Die ukrainische Post-Punkt-Ethno-Chaos-Band 'DakhaBrakha' war gerade auf Amerika-Tournee, als im Februar 2022 Putin seinen Vernichtungsfeldzug gegen ihr Heimatland lostrat.
Hier ist die Band mit ihrer "dringenden Botschaft" an uns ...
Vor weniger als drei Jahren, Anfang 2020 – aber eben noch in der ‚alten Zeit‘, vor der Pandemie und vor der russischen Invasion der Ukraine – veröffentlichte ich diesen Blog-Post zu Ehren einer meiner Lieblings-Bands aller Zeiten: DakhaBrakha aus Kiew in der Ukraine.
Seitdem hat sich unsere Welt unumkehrbar verändert, und immer wieder in den letzten Wochen des verbrecherischen russischen Überfalls habe ich mich gefragt, was wohl aus dieser großartigen Band geworden ist, die so sehr alles künstlerisch verkörpert, was Putin und seine Mörderhorden sich aufgemacht haben zu vernichten: Ethno-Chaos. Dann, vor einigen Tagen, stieß ich auf ein Lebenszeichen, allen Gött*innen sei Dank:
Dakha Brakha meldeten sich bei NPR (National Public Radio, so eine Art Deutschlandfunk der USA) mit einer ‚dringenden Botschaft‘ an die Menschen im privilegierten NATO-Westen. Sie waren wohl gerade auf USA-Tournee, als Wladimir Putin und seine Schergen-Armeen, begannen, die benachbarte, aber keineswegs identische Ukraine zu überrollen. Zu vergewaltigen, zu foltern, zu töten, auszulöschen – nicht nur Genozid, sondern ‚kultureller Genozid‘. Das Allerschlimmste, ein Angriff auf das Menschliche selbst. Denn das ist nur als Vielfalt denkbar oder überlebensfähig.
Deshalb – in dieser sehr eigenartigen Mischung von unmittelbarer persönlicher Sicherheit in der Fremde und der Konfrontation mit kollektiver Vernichtung daheim – fühlte sich die Band aufgerufen, die Menschen im westlichen Auenland direkt anzusprechen. Ich war so erleichtert, von ihnen zu hören, und ich möchte deswegen hier die Übersetzung des Artikels teilen, so wie er auf der NPR-Website erschien, nur geschmackvoll ediert und leicht gekürzt:
>> Die ukrainische Band DakhaBrakha beschreibt ihre Kunst als "Ethno-Chaos". In den letzten zehn Jahren hat diese ukrainische Folk-Meets-Punk-Gruppe ihre Musik einem Publikum in der ganzen Welt nahegebracht. Kürzlich starteten sie eine Tournee durch die USA - nur wenige Wochen nach dem Einmarsch Russlands in ihr Land.
Seit Jahren bezeichnet sich DakhaBrakha als "Botschafter der freien Ukraine". Ihre Auftritte wurden von Rufen wie "Stoppt Putin!" und "Kein Krieg!" unterbrochen. Jetzt hören sie, wie diese Forderungen in der ganzen Welt reflektiert und verstärkt werden.
Der Name dieses Quartetts bedeutet auf Altukrainisch "Geben und Nehmen" - und genau das tun sie auch. Kabarett, Jazz, Rock und Hip-Hop sind alle Teil der DNA der Band. Aber sie erforschen auch alle Arten von alten ukrainischen Volksstilen, die durch das Prisma des 21. Jahrhunderts betrachtet werden.
Marko Halanevych, der einzige männliche Musiker der Gruppe, spricht normalerweise für die Öffentlichkeit; die anderen drei Musikerinnen - Iryna Kovalenko, Olena Tsybulska und Nina Garenetska, lassen die Musik für sich sprechen. Während unseres Gesprächs dolmetschte die Managerin der Band, Iryna Gorban, für uns. Im Vordergrund stand für alle die Tatsache, dass diese Tournee inmitten von so viel Gewalt und Herzschmerz in der Heimat stattfand.
"Natürlich ist es ein großer Schmerz und eine große Tragödie für unser Land, und wir spüren es jeden Moment", sagt Halanevych.
"Viele Menschen in der Ukraine und auf der ganzen Welt sagen uns, dass es unsere beste Möglichkeit ist, nützlich und hilfreich zu sein, auf der Bühne zu stehen und den Menschen unsere Kultur und Musik zu zeigen und unsere Geschichte und die Geschichte unseres Landes zu erzählen."
Die Band hat einen ausgeprägten Sinn für Show – DakhaBrakha wurde in einem experimentellen Theater in Kiew geboren, wie auch ihre Schwestergruppe Dakh Daughters. Als DakhaBrakha vor etwa zehn Jahren zum ersten Mal auf der internationalen Bühne auftauchten, trugen sie unvergessliche hohe, eckige Hüte und reiche Kostüme, die an eine Reihe von ukrainischen Ethnostilen erinnerten. Ihre Musik war heftig, überschwänglich und mit Humor unterlegt. Sie waren verspielt.
Doch für die aktuelle Tournee musste die Gruppe einen viel ernsteren und dringlicheren Ton anschlagen:
Im Hintergrund werden Videos von der verwüsteten Ukraine projiziert. In den Kommentaren auf der Bühne geht es um die Notlage des Landes. Und an der Tür wird für eine Wohltätigkeitsorganisation gesammelt, die die Ukraine unterstützt. Halanevych sagt, die Band hoffe, dass ihr Publikum die Notwendigkeit dieses Wandels versteht.
"Normalerweise hatten wir natürlich Spaß auf der Bühne und wir haben diesen Humor, aber nicht in diesem Programm, wo jede Minute Menschen in deinem Land sterben", bemerkt er. "Da ist es wirklich unmöglich, diese Freude an der Musik zu empfinden. Deshalb ist es wirklich kompliziert, das Gleichgewicht zwischen Kunst und politischem Ausdruck zu finden. But we try to do it."
Teil der russischen Propaganda ist, dass die Ukraine gar nicht als unabhängige Nation mit eigener Kultur, Geschichte und Sprache existiert.
Aber das ist ein wichtiger Teil des Grundes für die Existenz von DakhaBrakha. Maria Sonevytsky ist Ethnomusikologin und lehrt am Bard College in New York. Sie hat ausführlich über DakhaBrakha geschrieben.
"Ich denke, eines der stärksten Dinge, die DakhaBrakha zu bieten hat, ist, dass sie sowohl zeigen, dass es eine sehr reiche Vergangenheit in der Ukraine gibt, als auch, dass sie eine Vielfalt an musikalischen Praktiken aus verschiedenen Regionen der Ukraine, von verschiedenen ethnischen Gruppen innerhalb der Ukraine, zusammenbringen", sagt Sonevytsky. "Und sie verbinden sie auf eine wunderbare Weise, die auch eine Zukunft für die Ukraine andeutet. Es widerlegt Putins Propaganda, dass die Ukraine keine eigene Kultur oder Geschichte hat."
"Tatsächlich", so Sonevytsky weiter, "sehen wir in Dakha Brakhas künstlerischem Schaffen eine zutiefst heterogene und komplexe Geschichte, das Erbe mehrfacher imperialer Erfahrungen, die lange Geschichte der Versuche, die ukrainische Souveränität zu erlangen, und sie verschmelzen diese Art von zerbrochener Vergangenheit zu einem schönen Ganzen, das nicht einfach ist, und das nicht einfach auf die Geschichte einer Nation reduziert werden kann, die von einem Volk besetzt ist, sondern stattdessen eine lebendige, wenn auch unvollkommene Demokratie suggeriert."
Trotz der Ambivalenz von DakhaBrakha, unter solch komplizierten Umständen auf Tournee zu gehen, sagt Sonevytsky, dass es für die Amerikaner [und für uns andere Westler*innen - RM] immer noch ein Weg ist, eine persönliche und emotionale Verbindung zur Ukraine herzustellen.
"Kein ukrainischer Musiker, den ich kenne, würde sagen, dass seine Lieder einer Atombombe standhalten werden. Niemand ist so wahnhaft, so etwas zu sagen", sagt sie. "Aber wenn wir gegen einen versuchten Völkermord kämpfen, gegen die völlige Auslöschung der Ukraine, dann denke ich, dass es wichtig ist, sich diese Kultur vor Augen zu halten, mehr darüber zu erfahren und zuzuhören." <<
Mit den besten Wünschen an DakhaBrakha, die Menschen in der Ukraine und uns alle...
Ach, und bevor ich es vergesse: DakhaBrakha sind in diesen Wochen auf Tour in Westeuropa - unter anderem in Berlin, Hamburg, Recklinghausen und Roskilde.
Näheres zu Orten, Zeiten und Tickets auf ihrer Website
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Dmitry Blogoyevich (Dienstag, 10 Mai 2022 18:12)
Сказать насколько это это круто слов не хватит. То краще помовчу.
Yarışlarına Xüsusi (Freitag, 23 September 2022 23:33)
Əriniz itkin düşüb. Bəsdir, daha zəng vurmayın!