von Rainer Molzahn
Vor einigen Wochen hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, mein Konzept der Entwicklung von Gemeinschaften sozusagen ‚live‘ einer interessierten Gruppe von Menschen in einem zweistündigen Workshop vorzustellen:
beim Absolvententreffen der abb-seminare im wunderschönen Barockschloss Oppurg.
Ich war richtig aufgeregt vorher: die Zahl der Anmeldungen für den Workshop war groß, und mir liegt das Thema sehr am Herzen.
Dazu vielleicht zunächst ein paar Sätze.
„Das psychologische Jahrhundert ist vorbei“, singt Rainald Grebe, und ich glaube, dass der Mann Recht hat.
Ich glaube, dass auf den Gebieten des persönlichen Wachstums und der Selbstvervollkommnung, die die mentalen Modelle des 20. Jahrhunderts so prägten, fürs Erste nichts wirklich Innovatives und Inspirierendes mehr zu erwarten ist.
Auch hat sich gezeigt, dass die Rechnung ‚wenn jeder nur ganz er oder sie selbst ist, ist die Welt eine bessere‘ so leider nicht aufgeht – wahrscheinlich ist sie zu simpel.
Ich und Wir - ein neues Verhältnis
Was es aus meiner Sicht jetzt braucht, ist eine Rückbindung auf das Kollektive, allerdings auch keine, die die so furchtbar gescheiterten Versuche des Kollektivismus im 20. Jahrhundert wieder aufleben lässt.
Wir dürfen nichts vergessen, was die Psychologie uns gelehrt hat, sondern sind aufgefordert, die Größe des Individuums und dessen Eingebettet Sein in etwas Größeres in seiner wechselseitigen Bedingtheit in den Blick zu nehmen.
Das, so glaube ich, muss unsere Perspektive in diesem Jahrhundert sein.
Allerdings, man merkt es schon, werden die Dinge dadurch automatisch ziemlich komplex.
Und deswegen war ich aufgeregt, denn ich wollte im Workshop versuchen, die Verschränktheit von gemeinschaftlicher und individueller Entwicklung so griffig wie möglich zu vermitteln.
Hauptsächlich war ich aber aufgeregt, weil mein Workshop einen dramaturgischen Ort innehatte im individuellen wie kollektiven Geschehen in Echtzeit: Er sollte den geistigen Rahmen dafür abstecken, den Erneuerungsprozess, in dem sich die ABB gerade befindet, mit der Community zu reflektieren.
Hier soll der Workshop selbst im Mittelpunkt stehen.
Im Überflug:
Wir - das Konzept der Kohäsion
Im Mittelpunkt meines Inputs stand das Konzept der Kohäsion, also die kollektive Identität, der Zusammenhalt oder das ‚Wir-Gefühl‘ einer Gemeinschaft.
Wenn ich hier das Wort Gemeinschaft benutze, dann deswegen, weil es für mich der allgemeinste Ausdruck für System, Gruppe, Organisation, Unternehmen, Nation etc. ist, also für die kollektive Dimension menschlichen Lebens.
Das Maß an Kohäsion ist das entscheidende Kriterium für ihre Vitalität und Leistungsfähigkeit.
Kohäsion ist immer das Ergebnis
von gemeinsamem Erleben
(Einheit, Kommunion)
und der Auseinandersetzung darüber (Unterschiede, Kommunikation).
Kohäsion entwickelt und verändert sich entlang der sechs Stufen der Entwicklung einer Gemeinschaft.
Den sechs Stufen liegt natürlich das 5-Grenzen-Prozessmodell zugrunde, so wie es an anderer Stelle schon ausdifferenziert wurde - für Individuen bzw. Gemeinschaften
Im nächsten Artikel gehe ich der Frage nach: Wie entwickeln sich Gemeinschaften?
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