von Rainer Molzahn
Es war viel los in der Welt im Monat März.
Die Anschläge in Brüssel, die Landtagswahlen in Deutschland, die EU-Verhandlungen mit der Türkei über das ‚Management‘ der Flüchtlingsströme, die schon üblichen schlechten Nachrichten über die Erwärmung der globalen Erwärmung usw.
Beim Nachdenken über ein Thema, das in mir nicht den unmittelbaren Wunsch auslösen würde, vom nächsten Balkon zu springen, kam ich auf den Besuch Barack Obamas in Kuba: ein bisschen Hoffnung!
Die leidvolle Geschichte
Die Geschichte der Beziehungen zwischen Kuba und den USA war immer schwierig und schmerzhaft, vor allem für die Kubaner. Obamas Besuch in der letzten kommunistischen Bastion der Hemisphäre war der erste eines Präsidenten seit 88 Jahren, als Calvin Coolidge 1928 die Reise von drei Tagen auf einem Schlachtschiff unternahm.
Zwischen beiden Besuchen war viel passiert, und das meiste davon war furchtbar.
1953 erlaubten die USA dem Diktator Batista, die demokratischen Wahlen abzuschaffen, um ihre Geschäftsinteressen nicht zu gefährden. Das ließ den kommunistischen Widerstandskämpfern unter Führung von Fidel Castro keine andere Möglichkeit, als 1959 den Weg der bewaffneten Revolution zu gehen. 1961 die von der CIA inszenierte und peinlich gescheiterte Schweinebucht-Invasion. Dann 1962 die Kuba-Krise, die die gesamte Welt ganz nah an den Rand eines atomaren Holocausts brachte. Bis 1965 mindestens acht dokumentierte Anschlagsversuche auf Fidel Castros Leben, weitere auf andere kubanische Politiker.
Wirtschaftsembargo, Reiseverbote, Flugzeugentführungen.
Nach dem Kalten Krieg und besonders unter der Bush-Regierung weitere Verschärfungen von Wirtschaftsembargo und Beschränkungen. Nach wie vor unterhalten die USA in Guantanamo Bay auf kubanischer Erde ihre Marinebasis, aufgrund eines äußerst umstrittenen Mietvertrages von 1903, einer der dunkelsten Orte der Welt, seit Präsident G.W. Bush dort Menschen unterbrachte, die er für zu gefährlich hielt, um sie überhaupt dem amerikanischen Festland und der amerikanischen Justiz zuzumuten.
Die Annäherung
Seit vielen Jahrzehnten sind in der kubanischen Weltsicht die USA das Imperium des Bösen, und Kuba ist in der Sicht des amerikanischen Mainstreams ein nicht ausrottbares Rattenloch des Stalinismus.
Aber ganz langsam rührt sich etwas:
Nach den Erfahrungen mit der Bush-Administration wählen die kubanischen Amerikaner nicht mehr automatisch die Republikaner. Obama bekam 2008 die Hälfte all ihrer Stimmen.
Seitdem arbeitet er an der Wiederherstellung der Beziehungen und einer Lockerung aller Beschränkungen. Er traf Raoul Castro das erste Mal bei der Beerdigungsfeier für Nelson Mandela, Ende 2013. Seit Mitte 2015 gibt es wieder diplomatische Beziehungen und Botschaften in beiden Hauptstädten.
¿Que bolá? Was geht?
Und jetzt der Besuch.
Wandel durch Annäherung, wie man hierzulande auf Politsprech sagt.
Aber eigentlich doch Annäherung durch Wandel: Obama wurde mit vielen Hoffnungen von den Menschen in Kuba empfangen, und die Entrüstungsstürme der US-Konservativen hielten sich in Grenzen.
Ein ganz sicheres Zeichen für den Wandel war kürzlich der Ausgang der Vorwahl um die republikanische Präsidentschaftskandidatur im Heimatstaat aller kubanischen US-Bürger, in Florida: Marco Rubio, Sohn kubanischer Einwanderer, siegte in keinem einzigen Wahlkreis außer in Miami, seinem Heimatort. Die Zeit ist reif; the times they are a-changing.
Aber die Pflanze des Friedens ist noch zart, alles Mögliche kann noch schiefgehen. Das Misstrauen auf allen Seiten ist noch hoch. Kuba ist noch lange kein Hort der Menschenrechte, noch lange keine Demokratie.
Amerikanische und europäische Wirtschaftsinteressen haben nicht das Wohl Kubas, sondern ihr eigenes im Sinn, und damit haben die Kubaner schlechte Erfahrungen. Obama ermutigte die kubanische Führung, keine Angst vor ihrem eigenen Volk zu haben, aber die ist sich wahrscheinlich nicht ganz so sicher.
Fidel Castro ließ im Staatsfernsehen unmittelbar im Anschluss an den Besuch einen längeren Brief verlesen, der in der Aussage kulminierte, Kuba brauche „keine Geschenke vom Imperium“. Guantanamo bleibt ein Stachel im Fleisch.
Und: was geschieht, wenn im November ein Republikaner amerikanischer Präsident wird, möglicherweise sogar der, dessen Name nicht genannt werden darf?
Friedlicher Wandel
Obamas Präsidentschaft neigt sich ihrem Ende zu.
Wenn es etwas gibt, das man als eine Art Obama-Doktrin bezeichnen könnte, eine überzeugungsgeleitete, allgemeine Grundhaltung im Umgang mit konfliktreichen Situationen und Konstellationen, dann ist es ganz kurz gefasst diese:
Rede mit deinen Feinden. Versuche, sie zu verstehen. Identifiziere die gemeinsamen Interessen. Verabrede pragmatische Maßnahmen.
In einer Zeit, in der Konflikte global und lokal eskalieren, und im Angesicht der politischen Akteure auf diesen Feldern, erhebt sich die Frage: wer redet eigentlich noch mit seinen Feinden?
Friedliche Veränderung ist nicht möglich, wenn man nicht miteinander redet.
Das ist natürlich auch ganz nah am Herzen des Wandelforums.
Wer auch immer Obamas Nachfolger im Weißen Haus wird, eins ist jetzt schon klar: wir werden ihn vermissen.
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