Transformatives Lernen - Teil 3

von Peggy Kammer

Transformatives Lernen Teil 3

 

Wer bin ich? Was ist meine Identität?

Und wer bin ich dem Moment, wo ich über mich und meine Identität nachdenke?

 

Bei diesen Fragen kann einem leicht schwindelig werden.

Und wenn man umfällt, ist es passiert: Transformatives Lernen. 


Was antwortest du auf die Frage: Wer bist du? 

Welche Geschichte erzählst du über dich? 

 

Was du antwortest, wird abhängen davon, wo du dich befindest - also in welchem Umfeld und Kontext -, wer dich das fragt und welche Beziehung du zu diesem Jemand hast.

Und davon, womit du dich gerade oder generell identifizierst. 

Was ist überhaupt Identität?

Ich will mich jetzt gar nicht in den Weiten der Identität und Individuation verlieren, obwohl ich zugeben muss, dass ich mich beim Nachdenken darüber liebend gern verlaufen habe in den vielen Schattierungen, Ansätzen, Möglichkeiten und Begriffen. Identität - und das, was damit möglich und auch unmöglich wird - ist ein spannendes Forschungsfeld. Dazu aber an anderer Stelle und zu einem späteren Zeitpunkt mehr. 

 

Für den Moment vielleicht dieses:

"Identität ist alles, was mit einer Stimme spricht."

(Robert Dilts)

 

Oder auch:

"Identität umfasst alles, womit sich eine Person (oder ein System) identifiziert, im Gegensatz zu dem, was sie abspaltet - als nicht zugehörig empfindet."

(Rainer und Elke im Dicken Buch "Die heiligen Kühe und die Wölfe des Wandels")

 

Identität setzt also einen mehr oder weniger bewussten Auseinandersetzungsprozess in unserem Inneren voraus, was wir als 'zu uns gehörend' bewerten und was als 'fremd'. 

 

Identität entsteht durch das Sich-Identifizieren mit einzelnen Anteilen unserer inneren Vielfalt.

Identität - fix und fluide

Wenn nicht ein großer Schatten über unserem Bewusstsein liegt, sind wir uns darüber im Klaren, dass wir in verschiedenen Kontexten bestimmte Anteile unserer Persönlichkeit stärker betonen und andere Anteile zurückhalten, weil wir sie als situativ nicht passend beurteilen. Wir müssen uns geradezu identifizieren, um überhaupt resonanz- und handlungsfähig zu sein.

 

Die spannende Frage ist: Wer in uns ist das, der entscheidet? 

 

Wer sagt: "Das passt. Das nicht. Du musst so und darfst um Himmels Willen auf keinen Fall so sein und handeln!"?

 

Wer sitzt der inneren Tafelrunde vor? Wer leitet die interne Teamsitzung?

Transformatives Lernen Teil 3
Thomas Nestke / pixelio.de

Einige Ansätze sprechen von Persönlichkeitsanteilen, Schulz von Thun hat den Begriff des Inneren Teams geprägt. Manche der Teammitglieder sind lauter und stärker, andere äußern sich nur leise und manchmal. 

Und einige haben Redeverbot oder dürfen gar nicht teilnehmen.

 

Wenn wir in jeder Situation einen kompletten Prozess der internen Verhandlung führen müssten, wer und wie wir jetzt gerade sein wollen (und dürfen), würde jegliche Interaktion mit unserem Umfeld unmöglich.

 

Deshalb haben wir uns Identitäten gewählt (oder sie übernommen), die wir in den jeweiligen Kontexten "abrufen" können.

 

 

Wir haben eine Definition unserer Rollen: als Führungskraft oder Mitarbeiter, als Freundin oder Freund, als Mutter oder Vater, als Sohn oder Tochter, als Vereinsvorsitzende, als Squash-Partner, als Unternehmerin, als Schriftsteller, als .... 

 

 

Manchmal haben wir uns explizit damit beschäftigt, wie wir die Rolle spielen wollen. Manchmal sind die Anforderungen gar schriftlich fixiert. Manchmal agieren wir einfach so, ohne groß und bewusst darüber nachzudenken. 

 

Unsere Identität ist also fix und fluide zugleich. In unterschiedlichen Kontexten und Rollen wählen wir - bewusst oder unbewusst - Anteile von uns selbst aus und marginalisieren andere. Trotzdem kommt alles aus einem Topf, aus uns selbst. 

Transformatives Lernen als Führungswechsel

Im ersten Teil unserer Reihe über Transformatives Lernen hatten wir uns das Lernen erster und zweiter Ordnung angeschaut.

 

Wenn wir die beiden Ebenen des Lernens nun übertragen auf unser inneres Team, dann bedeutete das ...


Für das Lernen erster Ordnung:

Ich entscheide bewusst, welche Anteile in einem Kontext oder in einer Situation da sein sollen - was ich vielleicht stärker betone, was ich zurücknehme usw... Ich sortiere also die Wichtung der bekannten Teammitglieder neu. 

 

Für das Lernen zweiter Ordnung - für transformatives Lernen:

Das erfordert ein Zeugenbewusstsein 2.0 - einen Beobachter des Beobachters, einen Beobachter der internen Teamsitzung. Wer sitzt da am Tisch? Wer leitet den Aushandlungsprozess? Welche Anteile kommen noch gar nicht zu Wort? Wer ist das da eigentlich, der die Regeln macht und der ganzen Runde vorsitzt?

 

Am Ende des Prozesses geht es darum, die Leitung des inneren Teams neu zu besetzen. Damit verbunden sind neue Regeln und eine neue Entscheidung, womit wir uns verbunden und wem wir uns verpflichtet fühlen. 


Wandelbare Identität

Welche Geschichten du über dich erzählst, hängt also davon ab, wer in dir gerade zu Wort kommt, mit wem du dich identifizierst und wer die Entscheidungshoheit hat, was gut und böse ist, was passt und was abgelehnt wird.

 

Identität ist also immer eine Frage der Perspektive. Und eine Entscheidung, welche Fragmente deiner selbst zum Zug kommen. 

 

Den Leiter der Teamrunde und den Prozess schauen wir uns in den nächsten Beiträgen genauer an.

 

 

Für den Moment kommen hier wieder 7 Fragen für dich:

Transformatives Lernen Teil 3
  • Welche unterschiedlichen, vielleicht sogar gegensätzlichen Geschichten kannst du über dich erzählen? 
  • Welcher Anteil deiner Persönlichkeit ist dir besonders lieb?
  • Welche Impulse und Stimmen hältst du zurück?
  • Welche Eigenschaften und welche Werte zeichnen dich aus?
  • Wie und was bist du absolut gar nicht?
  • Wenn du dir eine deiner Rollen anschaust: Welche Grundsätze leiten dein Handeln?
  • Woher hast du diese Grundsätze? - Auf die Antwort: "Das ist halt so." kannst du die Frage stellen: "Wer sagt das?"


Vielleicht hast du auch Lust, dir deine inneren Teammitglieder genauer anzuschauen: ihnen Namen geben, typische Eigenschaften benennen, die Situationen erkennen, in denen sie präsent sind, ihre Werte und Bedürfnisse erforschen, ihre Geschichten erkunden....

Viel Freude dabei.


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