von Peggy Kammer
Heute möchte ich zwei kleine Geschichten mit dir teilen, die mich ins Grübeln gebracht haben.
Und zu den Fragen: Wie sieht eigentlich "richtiges" Engagement aus?
und: Wie uninformiert sind wir?
Die Sinnkrise lauert ja praktisch überall, zumindest in meinem Leben und meiner Welt.
Bei aller Euphorie und Tatendrang in allen Lebenslagen, bei aller Leidenschaft und so .... Manchmal bin ich einfach platt von der Fülle an Herausforderungen, mit der die Welt in ihrer komplexen Verwobenheit aufwartet. Für heute habe ich mich entschieden, nicht zu resignieren und die zwei Fragen herumzuwälzen.
Alles Bio
Vor ein paar Tagen war ich im Gartenmarkt, um Erde zu kaufen, und ich stolperte über ein paar Säcke "Bio-Erde". Ich musste lachen und dachte: Was soll Erde sonst sein? Und natürlich war ich gleich in einer meiner üblichen Schleifen: Bio als Marketingtrick gewiefter Firmen, die damit ein gutes Gewissen verkaufen wollen - und mehr Umsatz erzielen. Denn natürlich war der Sack Bio-Erde 3 mal so teuer. Ich gestehe: Ich habe einen Sack "normale" Blumenerde gekauft. Für die Geranien im Kasten sollte das reichen. Das Erlebnis erzählte ich zu unserer letzten Konzeptwerkstatt und staunte nicht schlecht, als Ulrike mich aufklärte: Die übliche Erde besteht zu einem großen Teil aus Torf. Und dieser Torf wird aus Moorlandschaften gewonnen. Durch den Torfabbau im Moor wird der Lebensraum von Pflanzen und Tieren zerstört - und es setzt große Mengen an Treibhausgasen frei ... mehr dazu liest du hier.
Konsumenten-Engagement
Meine zweite Geschichte dreht sich um unser Engagement. Ich bin bei change.org, abgeordnetenwatch.de, aktiongegendenhunger.de, wwf.de und campact.de angemeldet und erhalte regelmäßig Petitionen und Aktionen, die ich unterstützen kann - mit meiner Unterschrift oder einer Spende.
Ich sehe (weil ich die Informationen ganz easy in mein Postfach bekomme), dass das Engagement von Einzelnen durch die kleine Unterstützung von Vielen erfolgreich sein kann - wenn Petitionen etwas bewirken oder die Summe vieler kleiner Spenden hilft. Gleichzeitig ist das Klicken auf "Petition unterzeichnen" ein derart passiver Vorgang, dass ich mich manchmal schäme. Ist das die moderne Form von Engagement? Wir bekommen alle Infos mundgerecht aufbereitet und können unser soziales Gewissen damit beruhigen, dass wir nach kurzem Überfliegen eines Textes auf "unterzeichnen" klicken?
Unwissen und Untaten und Auswirkungen
Ich bin manchmal verzweifelt, wie viel ich nicht weiß - ganze Themenfelder von Un-Wissen, Halb-Wissen oder vagem Meta-Wissen.
Die Informationen über Themen und ihre Zusammenhänge beeinflussen unser Denken, unsere Bewertung und unser Handeln - wir erweitern unseren Horizont und unsere Wahlmöglichkeiten, was wir tun oder lassen.
Wenn ich die Information habe, dass "normale" Blumenerde zu einem großen Teil aus Torf besteht und ich um die Auswirkungen weiß ... dann kann ich mich mit diesem Wissen für die Bio-Erde entscheiden - in dem Bewusstsein, dass mein kleiner doofer Sack Blumenerde einen kleinen, aber wichtigen, Unterschied macht.
Und dieses Prinzip trifft auf alle unserer Handlungen zu, egal, was und wie viel oder wenig wir wissen: Mit jeder noch so kleinen Tat, entscheiden wir - bewusst oder (meistens) unbewusst, was uns wichtig(er) ist. Fahren wir 500 m zum nächsten Briefkasten oder laufen wir? Essen wir jeden Tag Fleisch oder können wir verzichten? Hören wir unserem Gegenüber wirklich zu oder ist sie oder er nur eine Kulisse für unseren Wortschwall? Kaufen wir 20 T-Shirts für 30 Euro in Summe oder brauchen wir eigentlich nur eins und achten auf die Herstellungsbedingungen? Geben wir dem Verkäufer der Obdachlosenzeitung 3 Euro oder gehen wir weiter? usw..
Jede kleine Tat macht einen Unterschied. Das macht uns ganz schön mächtig. Wow.
Und: Gut so!
Gleichzeitig sind wir nicht immer so frei, das zu tun, was wir für richtig halten. Welche Familie - mit einem oder auch zwei Mindestlohn-Verdienern - kann es sich leisten, im Bio-Markt einkaufen zu gehen? Welcher Geringverdiener wird sich für ein 50-Euro-T-Shirt entscheiden, was sozial und ökologisch nachhaltig hergestellt wurde, wenn dies bedeutete, eine Woche kein Geld mehr für Essen zu haben?
Das ist der ganz individuelle Blick.
Kollektiv und global wissen wir häufig gar nicht, welche Auswirkungen unsere Taten haben. Jede Handlung ist nachhaltig und bewirkt etwas an einer anderen Stelle - in unserem Umfeld oder an einem anderen Ort, den wir gar nicht kennen. Andere Menschen erleben die Wirkung unserer Taten, die wir gar nicht überblicken können.
Viele Wege führen nach ...?
"Niemand weiß alles. Aber alle wissen etwas."
Dieses schöne Zitat von Friede ist so einfach und so wahr.
Jede und jeder von uns weiß und kann etwas - und kann damit einen Beitrag für alle leisten. Engagement ist und wird und kann und muss sogar unterschiedlich sein. Jeder ist mächtig, aber nicht allmächtig.
Es muss Menschen geben, die informieren und aufklären. Es muss Menschen geben, die Leute zusammenbringen. Es muss Menschen geben, die Aktivitäten bekannt machen. Es muss Menschen geben, die ganz konkret helfen. Es muss Menschen geben, die andere wachrütteln und konfrontieren. Es muss Menschen geben, die querdenken. Es muss Menschen geben, die widersprechen. Es muss Menschen geben, die für Träume eintreten.
Und jeder einzelne Beitrag zählt und ist wichtig.
Das erlöst uns nicht aus der Ohnmacht, die wir angesichts der Fülle von Baustellen auf unserer Erde haben und auch nicht aus unserem Unwissen, dessen wir uns immer wieder bewusst werden.
Aber es kann uns helfen, nicht völlig paralysiert zu sein und aufzugeben, irgendwas zu tun. Es kann uns helfen, uns zu interessieren, aufmerksam zu sein und zuzuhören. Es kann uns anspornen, einen kleinen Pfad des Wandels zu gehen und damit den großen Weg zu ebnen. Es kann uns bei der Einsicht helfen, dass wir alle miteinander verbunden und verantwortlich sind, was passiert.
In jeder Verzweiflung steckt bereits die Zuversicht. Wir müssen uns nur dafür entscheiden.
Fragen fragen
Worin besteht der Unterschied, den du machen kannst, um unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen?
Jede/r von uns wird darauf eine individuelle Antwort finden.
Und ich glaube, dass es 3 Felder gibt, auf die sich diese Antwort auswirken muss:
-
Was tue ich für die Erde? (z.B. Ernährung, Klimaschutz,
fairer Handel, soziale Arbeitsbedingungen...)
- Wie gestalte ich die unmittelbaren Beziehungen zu meinen Mitmenschen?
- Wo genau engagiere ich mich konkret?
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